★ Angespielt ★
Folge #010 –
X4 – Foundations
Wenn unsereins irgendwas mit dem Label „Science Fiction“ in die Finger kriegt, dann ist er mächtig aufgeregt und motiviert. Der Weltraum lockt. Also her mit richtig schönem heißen, schwarzen Kaffee, Junge! Milch weglassen und ran an die Buletten!
Nachdem wir uns für die Karriere entschieden haben, die uns auch eine Einführung in Gestalt von Tutorials verspricht, finden wir uns im Inneren einer Raumbasis neben unserem schnieken kleinen Raumschiffchen wieder. Draußen lockt das All. Also rein in die Kiste und los! Was gibt es hier so zu sehen?
Der Weltraum, Junge!
Egosofts X4 ist optisch ganz nett, wenn auch die Darstellung heutzutage eher angestaubt wirkt.
Immerhin kriegt man statt dem generell gängigen Grimdark-Graubraun-düster-Matsch tatsächlich ein paar bunte Raumschiffchen und helle Effekte geboten. Dummerweise wirkt das, als fliegen lustige Bauklötzchen vor einer allzu flachen Kulisse durchs All, die von den Funksprüchen, die sie gelegentlich absondern, seltsam abgekoppelt zu sein scheinen.
Zumal sich da immer wieder dieselben Personen mit immer wieder den selben Sprüchen zu unterhalten scheinen – meist sogar mit sich selbst, weil offensichtlich im Weltraum alle die gleiche Stimme haben. Oder sind es Klone? Das würde einiges erklären!
Nun ist Grafik wahrlich nicht alles, und man kann Egosoft wirklich nicht vorwerfen, sie sei – im Gegensatz zu der lustlosen Sprachausgabe – nicht abwechslungsreich genug: Riesige Kampfkreuzer ziehen durch das All, begleitet von emsig umherhuschenden Jägerschiffchen und mopsigen Frachtern.
Mächtige Raumstationen hängen wie schwebende Städte im Weltraum und laden ein, an ihnen anzudocken. Man schaut aus der Kanzel seines eigenen kleinen Starterraumschiffs und denkt sich: Hier ist schon was los. Aber was ist mein Platz in der ganzen Chose? Und was habe ich überhaupt zu tun? Der Weltraum, Junge! Unendlich Weiten!
Das Tutorial des Grauens!
Der geübte Gamer greift bei solcher Fragestellung selbstverständlich zum Tutorial, um sich vom Spiel selbst umfassend unterweisen zu lassen, auf dass einer großartigen Karriere im All nichts mehr im Wege steht. X4 bietet diverse Tutorials zu verschiedenen Themen wie „ Flugschule“, „Schiffsmodi“ oder „Einsatz des Raumanzuges“ an, also sollte das ja kein Problem sein.
Sollte.
Ich muss zugeben, dass es gewiss eine Leistung ist, wenn einen schon die Menüführung abstößt. Das ganze hat den Charme einer Anwendung aus den Neunzigern, und ist optisch (und technisch!) in etwa auf dem selben Stand. Aber das ist nicht das Schlimmste.
Die Tutorialmissionen zu spielen ist ungefähr so spannend, wie vor einem Topf zu sitzen, und darauf zu warten, dass das Wasser darin anfängt, zu kochen. Nur dass der Herd, auf dem unser Topf steht, nicht an den Strom angeschlossen zu sein scheint.
Die Aufgaben, die die Tutorials stellen, werden in hässlicher, unformatierter Textform dargereicht. Kleine Schnipsel, die einem sagen, was man zu tun hat, und die schnell wieder verschwinden.
Was ziemlich schlecht ist, wenn man gerade damit beschäftigt ist, sich mit den Auswirkungen der letzten Anweisung zu beschäftigen, und den eingeblendeten Text schlicht übersehen hat.
Außerdem fehlt zuweilen der Kontext, in dem man die Aufgaben ausführen soll. Zum Beispiel geht das Spiel bei bestimmten Tutorials einfach davon aus, dass man bereits im Raumschiff sitzt, um bestimmte Tasten- oder Menükommandos auszuführen. Tut man das nicht, dann funktioniert es einfach nicht. Nichts und niemand weist einen drauf hin, dass man erst mal ein- oder aussteigen soll. Und das ist nur eines von vielen Problemen.
Ich war, gelinde gesagt, erschrocken, dass ein so lustlos hingeschmissenes Tutorial einer solch umfangreichen Weltraum-Handelssimulation vorangestellt wird. Immerhin soll es den Spieler in diese Welt einführen und ihm Lust machen auf mehr.
Tatsächlich ist es eher eine Einführung in die schlechten Mechaniken und die unausgegorenen Logik-Konstrukte, mit denen das Spiel allgemein zu kämpfen hat. Wenn man es so sieht, dann ist es immerhin ehrlich. Mir jedenfalls hatte es damit bereits zu Beginn schon jeglicher Lust, das Spiel weiterzuspielen, mit Bravado den Hals umgedreht.
Im Weltraum hört dich niemand fluchen.
Aber man quält sich ja weiter. In etwa wie bei dieser einen Anime-Serie, die einem der beste Kumpel mit den Worten empfohlen hat: „Du musst nur über die ersten fünfzig Episoden ‚rauskommen, danach wird es gut!“
So wird man also einfach in dieses hochkomplexe Spiel geschmissen und steht da. Und was nun? Ich habe tatsächlich, trotz jeder Menge dröger Tutorials, keinen blassen Schimmer, was ich machen soll.
Also steige ich in mein Schiff und fliege los. Was kann ich auch sonst tun?
Die ersten Begegnungen im All sind seltsam. Ich funke Schiffe an, deren Besatzung mir mit, gelinde gesagt, genervter Unhöflichkeit oder Indifferenz begegnen. Die Antwort „Tut mir leid, das weiß ich nicht“ in immer derselben Stimme zu hören, wird nach kurzer Zeit zu einem weiteren Wetzstein für meine Nerven. Irgendwann finde ich heraus, dass ich mich in einem Sektor befinde, der mit anderen Sektoren durch regelrechte Autobahnen verbunden ist. Na dann!
Nichts wie rein in so ein Ding und Huiiii … mit wirklich grottigen Grafikeffekten lande ich im nächsten Sektor, der, nicht wirklich zu meiner Überraschung, ziemlich genauso aussieht, wie der letzte.
Während der ganzen Zeit, in der ich unterwegs bin, habe ich den Eindruck, dass unter der Oberfläche, auf der ich mich mühsam hin- und herbewege, ein komplexes und möglicherweise sogar großartiges Spiel steckt, aber ich werde im Laufe der Zeit immer frustrierter, weil ich nicht drankomme!
Wie, du weißt nicht, wie das funktioniert?
Na schön. Niemals aufgeben, niemals kapitulieren!
Ich nähere mich einer Station, docke mit Mühe und unter Einfluss von verstörenden Bugs, die meine Steuerung vollkommen außer Kraft setzen, an. Alles um mich herum ist riesig, über mir fliegen gewaltige Frachter oder sowas durch die Gegend.
Ich versuche mich an einer Mission. Ich soll für die Station einen Piloten anheuern.
Aha. Mein Missionslog sagt mir: „Finde einen Piloten. Docke ab.“
Nachdem ich eine Viertelstunde lang nach einem Piloten gefahndet und mich hoffnungslos auf der Station verlaufen habe (stets verfolgt von der Antwort „Tut mir Leid, das weiß ich nicht“, auf meine Fragen, die ich zufällig getroffenen NPCs stelle), verliere ich endgültig jegliche Lust, mich weiter mit diesem … Spiel … zu beschäftigen.
Es ist mittlerweile ziemlich offensichtlich für mich, dass Egosoft vorausgesetzt hat, dass man sich mit diesem Spiel auskennt, wenn man es startet. Anscheinend geht man davon aus, dass jeder Spieler, der dieses Machwerk ausprobiert, schon einmal irgendein X-Spiel gespielt hat.
Das ist, gelinde gesagt, eine Frechheit!
Es kann nicht sein, dass man bei einem dermaßen komplexen Spiel einen absoluten Neueinsteiger einfach auf irgendeiner Plattform absetzt und sagt: „So. Mach mal.“
Auf der Suche nach dem Spaß
Das ist aber noch nicht einmal das schlimmste.
Ich hatte von der ersten Minute an in diesem Spiel nicht einen einzigen Funken Spaß. Nicht einen!
Und wenn das nicht das Schlimmste ist, das man über ein Computerspiel sagen kann, dann weiß ich es auch nicht.
Die Welt wirkt steril. Die Menüs sind überfrachtet. Die UI ist archaisch. Die Grafik so lala. Die Sprachausgabe ist billig. Die Musik ist nervig.
Ist das schlimm? Nicht unbedingt. Ein Spiel muss kein Grafikbrecher oder Soundhammer sein, um zu überzeugen. Wenn aber zu all den oben genannten Punkten noch hinzukommt, dass es absolut beutzerunfreundlich, einsteigerfeindlich und ziemlich verbugt obendrein ist, dann ist das schon eine ziemliche Katastrophe.
Fazit
X4 – Foundations wird seine Nische finden. Ehemalige X3-Spieler werden wahrscheinlich ihren Spaß damit haben, und ich beneide sie darum.
In meinem Fall landet das Spiel auf der Halde der deinstallierten Programme, die ich nie wieder antaste. Ich habe es selten erlebt, dass mich ein Spiel so rundherum abstößt, dass ich es regelrecht hasse, aber X4 hat das tatsächlich geschafft.
Die Grafik, der Sound und die Steuerung sind, wohlwollend betrachtet, Mittelmaß, realistisch gesehen jedoch völlig veraltet.
Das Spiel ist für alteingesessene Fans der Serie gemacht und lässt Einsteiger komplett außen vor. Wenn das der Plan von Egosoft gewesen sein sollte, dann wäre das in Ordnung, wenn man es als Erweiterung und nicht als alleinstehendes Spiel verkauft hätte.
So kann ich nur den Rat geben: Finger weg! Um Gottes Willen, Finger weg!
Wertung: 20/100
Cut-Scenes lassen sich unterbrechen. Immerhin etwas Positives!
Spiel
★ X4: Foundations ★
Weltraum-Actionspiel von Egosoft
Offizielle Seite: https://www.egosoft.com/games/x4/info_de.php
★ Angespielt ★
Spiele-Reviews von Kellerkindern
Offizielle Seite: https://www.kellerkind.org/mehr/angespielt/
Hinweise
Wenn Dir das Spiel gefällt, unterstütze bitte die Entwickler und kaufe Dir das Spiel im Original!
Hans Günter Ostlender faselte am 19. Januar 2019 um 13:00 Uhr diesen Kommentar